Bewerbungsgespräch: So vermeiden Sie böse Überraschungen beim Jobeinstieg

"Die haben mich angelogen"

Der neue Job ist ganz anders als im Vorstellungsgespräch versprochen? Wie man das mit gezielten Fragen verhindert - und wann nur noch die Kündigung hilft.

(Autor: Tom Schmidtgen, erschienen in FAS, 29.12.2024, Nr. 52, Beruf und Chance, S. 51, D1)

"Ich fühle mich so verarscht", sagt die junge Frau in die Kamera, während sie sich schminkt. Ihre Geschichte hat Magdalena, so heißt die Frau, auf Tiktok hochgeladen. Das Video, in dem es um ihre Erfahrungen in einem Bewerbungsgespräch für eine Stelle im Vertrieb geht, hat mehr als 30.000 Likes und mehr als 1000 Kommentare bekommen. Magdalena erzählt, dass sie mit klaren Erwartungen ins Vorstellungsgespräch ging. "Ich habe ganz klar gesagt, was ich möchte und was nicht. Denn ich hatte Bedenken bei der Stelle." Diese seien ihr genommen worden, sagt sie. Sie hat sich auch deshalb für diese Stelle entschieden, weil ihr ein gutes Onboarding wichtig ist. "Mir wurde versichert, es gebe einen ganz tollen Einarbeitungsplan und einen Buddy."

Als sie anfängt zu arbeiten, beginnt das Chaos: Ihre Aufgaben sind genau die, die Magdalena vorher abgelehnt hat, sie hat keinen Buddy an ihrer Seite, und mit dem Einarbeitungsplan können die Kollegen nichts anfangen. Der Teamleiter ist nach ihrer ersten Woche im Urlaub. Magdalena muss in dieser Zeit viel weinen, erzählt sie, sie fühlt sich nicht wahrgenommen. "Das ist nicht meine Schuld. Die haben mich angelogen."

Fälle wie die von Magdalena gibt es viele. Genaue Zahlen fehlen mangels entsprechender Erhebungen, aber Interviews für diesen Text und Bewertungen auf der Plattform Kununu zeugen von einer Kultur der Intransparenz in Bewerbungsgesprächen. Nicht immer geht es um glatte Lügen, oft sind es falsche Erwartungen, die der Arbeitgeber bei einem Bewerber weckt - beispielsweise darüber, wie das Team zusammenarbeitet oder wie der Arbeitsalltag aussieht. Manchmal stellt sich erst mit Antritt der Stelle heraus, dass nicht alles Gold war, was im Bewerbungsgespräch glänzte. Dagegen hilft eine gute Vorbereitung - und im Extremfall nur die Kündigung.

"Es ist normal, dass sich Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch besser darstellen wollen, als sie sind, genau wie die Bewerber", sagt Silke Grotegut, seit zehn Jahren selbständig als Karrierecoach für Führungskräfte. Zu lügen oder falsche Erwartungen zu wecken sei aber nicht schlau. "Das fällt natürlich auf im Job", sagt sie. Unternehmen, die zu solchen Mitteln greifen, stehen nach ihrer Beobachtung unter Druck, etwa durch Fachkräftemangel oder Fluktuation. Auch bei Jobs im Vertrieb wie bei Magdalena sei das nicht selten. "Ich kann mir vorstellen, dass bei den Unternehmen die Hoffnung besteht, dass die Mitarbeiter das schlucken", sagt Grotegut. "Das ist bei der jüngeren Generation aber sicher nicht mehr der Fall."

Bei ihren Klienten adressiert sie deshalb genau dieses Thema. Am wichtigsten sind eine gute Vorbereitung auf das Unternehmen und das Vorstellungsgespräch. "Bewerber müssen sich vorher klar machen, was sie genau wollen und was nicht." Diese Anforderungen teilt Grotegut in Must-haves und Nice-to-haves ein, also notwendige Voraussetzungen und solche, die schön wären, aber ohne die die Unterschrift unter dem Arbeitsvertrag nicht scheitern wird. Das können etwa eine Homeoffice-Regelung, Gleitzeit oder die Auszahlung von Überstunden sein.

Als Zweites hilft es, sich Bewertungsportale wie Kununu anzuschauen. "Sind dort viele Bewertungen sehr schlecht und zielen auf bestimmte Punkte, dann wird da was dran sein", sagt Grotegut. Außerdem sollte man über Karriereportale wie Linkedin nach Kontakten suchen, die im Zielunternehmen arbeiten, und befragen. "Solche Insiderinformationen sind extrem wertvoll und verschaffen Bewerbern einen Wissensvorsprung." Damit könne man im Gespräch auf das vom Arbeitgeber Versprochene besser reagieren. "Je konkretere Fragen ich stelle, desto eher bekomme ich ein Gefühl, ob das Gesagte stimmt - oder ob der Arbeitgeber ins Schwimmen kommt", sagt Grotegut. Gute Fragen seien etwa: Wie sieht mein typischer Arbeitsalltag aus? Mit wem arbeite ich zusammen? Bei allgemeinen Schilderungen hilft die Nachfrage: Wie sieht das konkret aus?

Falsche Versprechungen kommen in seiner Arbeit sehr häufig vor, erzählt Jens Usebach, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht aus Köln. "Das ist leider in allen Branchen und sowohl bei kleinen als auch bei großen Arbeitgebern anzutreffen", sagt Usebach, der überwiegend Arbeitnehmer vertritt. Werden Verabredungen vom Arbeitgeber nicht eingehalten, kommen Klienten zu ihm und wollen ihr Recht einklagen. Doch Usebach hat ein Problem: Das Arbeitsrecht sieht vor, dass nur schriftlich auf Papier festgehaltene Abmachungen juristisch bindend beziehungsweise beweisbar sind. "Deswegen muss ich als Bewerber darauf bestehen, dass alles, was mir wichtig ist, auch schriftlich im Arbeitsvertrag festgehalten wird." In Arbeitsverträgen stehe außerdem oft die Formulierung, dass es keine mündlichen Nebenabreden zwischen Arbeitnehmer und -geber gebe. Dann kann der Arbeitnehmer sich auch nicht darauf berufen.

Um den richtigen Kandidaten für eine Stelle zu finden, müssen auch Personalberater genau wissen, was die Bewerber im Job erwartet. "Die meisten Unternehmen sind transparent, weil sie ihr Personal langfristig halten wollen", sagt Arne Kaiser, Geschäftsführer der Personalberatung Hapeko. "Aber klar ist auch: Es gibt immer Arbeitgeber, die nicht die volle Wahrheit erzählen." Hapeko besetzt etwa 2.100 Stellen im Jahr.

Bei neuen Mandanten gehen die Personalberater von Hapeko deswegen in die Recherche für die zu besetzende Stelle, suchen nach blinden Flecken, über die der Arbeitgeber weniger gern reden möchte - oder selbst nicht wahrnimmt. Dafür treffen sich die Personalberater mit dem Kunden im Büro, um den "Stallgeruch" wahrzunehmen, sagt Kaiser. "Für uns wäre es ein absolutes No-Go, den Bewerbern etwas bewusst zu verschweigen."

Die Aufgabe von Kaiser und seinen 100 Beraterkollegen besteht anschließend darin, den geeignetsten Bewerber zu finden. Bei möglichen Jobwechseln, die Unsicherheiten bergen können, klären sie im Vorfeld auf. Kaisers Kollege Hendrik Holsten erzählt von einem Bewerber für eine kaufmännische Leitung. Aktuell leite dieser ein Team in einem Konzern mit 9000 Angestellten. In der neuen Position geht es um ein kleineres Unternehmen mit 400 Beschäftigten. "Gleich zu Beginn des Gesprächs habe ich dem Bewerber deutlich gemacht, was sich für ihn ändert, dass er mit dem künftigen Team stärker operativ arbeiten und für mehr Themen verantwortlich sein wird", sagt Holsten. Es komme in der Praxis regelmäßig vor, dass unterschiedliche Vorstellungen von der Arbeit oder der Unternehmenskultur erst nach Antritt der Stelle sichtbar werden. Dagegen helfen etwa ein Probetag oder detailliertere Fragen zur Einarbeitung und zur Kultur, so Holsten.

Wenn erst im Job auffällt, dass die Stelle anders ist als beschrieben, rät Karriereberaterin Grotegut zu einem möglichst schnellen und klärenden Gespräch mit den Vorgesetzten oder der Personalabteilung. Erst im zweiten Schritt sollte der Betriebsrat eingeschaltet werden. In den Gesprächen sollte man mit Ich-Botschaften arbeiten und keine Vorwürfe erheben.

Grotegut empfiehlt folgende Faustformel: "Love it, leave it, change it or use it". Auf Deutsch: Wenn man den Job nicht liebt, sollte man durch Gespräche mit der Chefin versuchen, kritische Punkte zu ändern. Lässt sich das Unternehmen nicht darauf ein, hilft nur die Kündigung. Oder man versucht, die Zeit im Unternehmen bestmöglich für sich zu nutzen, beispielsweise für Weiterbildungen oder ein gutes Zeugnis. Zur Kündigung als Ultima Ratio rät auch Arbeitsrechtler Usebach. "Man sollte sich die Frage stellen, ob das der richtige Arbeitgeber ist, wenn so viel mündlich Zugesagtes nicht stimmt."

Auch Magdalena, die junge Frau aus dem Tiktok-Video, hat nach mehreren Gesprächen, die nichts brachten, die Reißleine gezogen und gekündigt. In dem Unternehmen hätten alle, bis auf den Teamleiter, sie verstanden und unterstützt. "Ich habe einen neuen Job, jetzt ist alles gut, aber das waren schlimme Wochen", resümiert Magdalena. Mittlerweile arbeitet sie selbst als Personalreferentin.

 

Quelle:

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

Erschienen in FAS, 29.12.2024, Nr. 52, Beruf und Chance (S. 51, D1)

Autor: Tom Schmidtgen

HAPEKO ist an mehr als 20 Standorten in Deutschland vertreten:

Sie finden uns an unseren Standorten im Allgäu, in Augsburg, Berlin, Bielefeld, am Bodensee, in Braunschweig, Bremen, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Freiburg, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kassel, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Münster, Nürnberg, Osnabrück, Regensburg, Rostock, Stuttgart und Ulm. Außerdem sind wir neuerdings in folgenden Städten für Sie da: Lübeck und Kiel.