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K.O.-Kriterium oder Chance im Bewerbungsprozess?

„Lücken führen nicht zwangsläufig zur Aussortierung“

Manchmal liegt etwas Zeit zwischen zwei Jobs, und (auf dem Papier) entsteht eine Lücke im Lebenslauf. Damit ist noch kein Karrierepfad verlassen. Allerdings kommt bei der nächsten Bewerbung die Frage: Wie gehe ich damit um? Vincent van der Garde, Personalberater bei HAPEKO in Düsseldorf, erläutert, wie er auf eine Lücke im Lebenslauf reagiert, unter welchen Umständen dies kein Showstopper ist – und warum Personalberatungen Lebenslauf-Lücken anders handlen können als Personaler in Unternehmen.

Das Interview im Überblick

Leser erfahren, wie sie bei einer Bewerbung damit umgehen, wenn sie eine Lücke im Lebenslauf haben.

  • Kein K.O.-Kriterium

    Veränderungen gehören zum Leben, eine Lücke zwischen zwei Jobs ist nichts Negatives, sondern kann aus vielen Gründen entstehen.

  • Transparenz

    Bewerber müssen vor allem ehrlich sein und begründen können, warum eine Auszeit entstand und welchen Nutzen sie hatte.

  • Austausch mit dem Berater als Chance

    Personalberater nehmen sich die Zeit, Rückfragen zum Lebenslauf zu stellen - Bewerbende haben so den Vorteil, Lücken erklären zu können.

Gibt es heute noch „gerade“ (lückenlose) Lebensläufe? Und falls ja: in welcher Generation vor allem?

Vincent van der Garde: Heute sind lückenlose Lebensläufe eher die Ausnahme als die Regel. Vor allem die Arbeitswelt hat sich sehr verändert – diese ist deutlich schnelllebiger und stärker digitalisiert. Es gibt mehr Möglichkeiten, sich in verschiedene Richtungen zu entwickeln, wenn auch mit Unterschieden zwischen den Generationen. Die Babyboomer und Generation X-Mitglieder starteten ihre Karrieren in Zeiten, in denen langfristige Beschäftigungsverhältnisse und „gerade“ Karrierepfade üblicher waren. Der Arbeitsmarkt war häufig stabiler, es gab seltener große Unterbrechungen, etwa durch wirtschaftliche Krisen.

Die jüngeren Generationen, Millennials und Generation Z, verfügen noch nicht über so viel Lebens- und Berufserfahrung, da ist die Zeit, eine Lücke „aufzubauen“, noch nicht so reichlich vorhanden. Diese Generationen haben allerdings eine höhere Wechselbereitschaft und sind flexibler in der Karriere-Gestaltung, was dazu führt, dass eine Lücke entstehen kann. Ich sehe aber häufig, dass die jüngeren Generationen sehr darauf achten, diese Lücken für etwas Bestimmtes zu nutzen bzw. zu füllen: mit einem Projekt, mit einer Weiterbildung oder freiberuflichen Tätigkeit.

„Lückenlose Lebensläufe sind eher die Ausnahme."

Ab wann sprechen wir denn von einer „Lücke“? Wie groß „darf“ diese sein?

Vincent van der Garde: Ein Zeitraum von bis zu drei Monaten ist für mich unproblematisch. Solche kurzen Unterbrechungen können auch schnell aus logistischen Gründen passieren: Ich ziehe um, ich habe ein Wettbewerbsverbot oder ich suche schlicht einen neuen Job. Ab drei Monaten kann man schon von einer Lücke sprechen. Da fragen viele Arbeitgeber: „Was wurde da gemacht?“ Dann ist es wichtig, dass diese Person etwas Inhaltliches dazu sagen kann. Ein Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr ist schon substanziell – da schaut man kritisch hin und fragt vielleicht auch ein zweites Mal nach.

Wie groß eine Lücke „sein darf“, hängt stark von den individuellen Bedingungen ab – den persönlichen Lebensumständen, aber auch den Bedingungen in der Branche. Wenn ein Veranstaltungsmanager während der Corona-Pandemie seinen Job verloren hat und jetzt eine Lücke von ein bis zwei Jahren oder "Arbeitslosigkeit" im Lebenslauf stehen hat, ist das nicht unbedingt sein Verschulden – und auch aus meiner Sicht als Recruiter absolut nachvollziehbar. Es kommt immer auf den Kontext und auf die Begründung an.

Schaden Lücken im Lebenslauf meinem Standing als Bewerber? Werde ich direkt aussortiert?

Vincent van der Garde: Nein! Lücken im Lebenslauf können der eigenen Glaubwürdigkeit oder dem Standing eventuell schaden – führen aber nicht zwangsläufig zur Aussortierung! Wichtig ist, zu benennen, warum diese Lücke entstand und was in dieser Zeit gemacht wurde. Und das kann ja, wie erwähnt, auch passieren, weil sich Lebensumstände schnell verändern können.

Personaler in Unternehmen, die viele Bewerbungen erhalten, haben häufig nicht die Kapazitäten, jeden Kandidaten in einem persönlichen Gespräch noch einmal erläutern zu lassen, was genau in dieser Zeit passiert ist. Bewerbende profitieren deshalb von der Zusammenarbeit mit einem Dienstleister oder einer Personalberatung. Wir nehmen uns die Zeit – im Auftrag unseres Mandanten – und fragen nach. Wenn der Kandidat mir gegenüber mit offenen Karten spielt und diese Lücke vernünftig begründen kann, dann kann ich das im Gespräch mit meinem Kunden weitergeben und eventuelle Fragezeichen ausräumen.

„Bewerbende profitieren von der Zusammenarbeit mit einer Personalberatung. Wir nehmen uns die Zeit und fragen nach", erläutert Personalberater Vincent van der Garde. Gibt es Fragen zu Stationen im Lebenslauf, lässt er sich die Gründe erklären.

Wann ist eine Lücke im Lebenslauf ein Ausschluss-Kriterium im Bewerbungsprozess?

Vincent van der Garde: Grundsätzlich ist eine Lücke im Lebenslauf nichts Negatives. Ich halte Lücken eher für eine spannende Möglichkeit, noch mehr über die Person und ihren Werdegang zu erfahren. Zum Ausschlusskriterium wird eine Lücke, wenn sie mit Unehrlichkeit oder mangelnder Transparenz einhergeht. Wenn jemand versucht, eine Lücke zu verbergen, ungenaue oder falsche Angaben macht oder gar nicht bereit ist, zu erklären, warum da eine Lücke ist: Das ist definitiv ein Showstopper, weil so ein Verhalten auf mangelnde Integrität und Ehrlichkeit schließen lässt. Auch wiederholte unerklärte Lücken, also: wiederkehrendes Verhalten, können zum Ausschluss führen. Wenn zum Beispiel Kandidaten mehrfach hintereinander Arbeitsverhältnisse in der Probezeit beenden, gefolgt von einer Lücke, dann müssen wir darüber sprechen.

Veränderungen kommen oft unverhofft, Lebensumstände und Karrierevorstellungen können sich ändern, das ist nicht schlimm. Für mich ist Selbstreflexion wichtig: Können Sie mir erklären, was Ihnen diese (Aus-)Zeit gebracht hat? Gibt mir jemand reflektiert Auskunft, zeigt mir dies, dass mit dieser Person etwas passiert ist, dass sie sich in dieser Zeit persönlich weiterentwickelt hat. Dass es nach links und nach rechts geht, ist kein Problem – aber erklären Sie mir Ihre Erfahrungen!

Welche Arten der Auszeit zwischen beruflichen Tätigkeiten begegnen Ihnen am häufigsten?

Vincent van der Garde: Die beiden Top-Auszeiten sind die Elternzeit und das Sabbatical. Die Elternzeit begegnet mir eher bei den Jüngeren – und immer häufiger bei jungen Männern, die sich Zeit für ihre Familien nehmen. Und es ist oft das Sabbatical, die längere Pause zwischen herausfordernden beruflichen Stationen, um sich mal zu erden und Kraft zu tanken. Neben den „klassischen“ Auszeiten zwischen Ausbildung und Berufseinstieg gibt es insbesondere ältere Personen, die ein Sabbatical nach zwei oder drei Dekaden Berufstätigkeit einstreuen. Diese nehmen sich gerade nach großen beruflichen Herausforderungen bewusst Zeit für Persönliches, etwa für Reisen oder die Familie. Auf Platz drei sehe ich die Auszeit für berufliche Neuorientierung – wenn Menschen sich noch einmal in einen komplett anderen Bereich entwickeln wollen, ist das häufig mit einer Umschulung oder Weiterbildung verbunden. Erfreulicherweise sehe ich recht selten Lücken wegen Krankheit oder Rehabilitation, etwa nach einem Unfall.

„Lebensumstände und Karrierevorstellungen können sich ändern – das ist nicht schlimm.“

Welchen Eindruck macht es auf Sie als Recruiting-Profi, wenn jemand nach der ersten beruflichen Station, mit zwei oder drei Jahren Berufserfahrung, ein Jahr Auszeit nimmt?

Vincent van der Garde: Das begegnet mir durchaus und sorgt auf dem Papier erst einmal für das typische (Vor-)Urteil: „Die junge Generation will nichts mehr leisten, viel Geld, wenig Arbeit…“ Ich mache mich mittlerweile bewusst davon frei, weil mich eher – vorausgesetzt, der restliche Mix aus Qualifikationen und Soft Skills stimmt – interessiert: Was steckt dahinter, was veranlasste diese Person dazu? Ist das vielleicht eine Überbrückung auf dem Weg zu einem bestimmten Ziel, erfüllt sich hier jemand einen großen Wunsch? Ich frage immer nach, weil es auf den Kontext ankommt. Und ich als Personalberater bin dafür da, dies gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber, meinem Mandanten, zu erklären, so dass solch ein Lebenslauf nicht für Ablehnung sorgt.

Einmal angenommen, ich war lange auf Jobsuche, etwa ein dreiviertel bis anderthalb Jahre. Welchen Eindruck macht das auf Sie?

Vincent van der Garde: Dies hat schon erst einmal ein „Geschmäckle“. Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels und bei adäquater Qualifikation frage ich mich schon: Warum war diese Person so lange zwischen zwei Tätigkeiten? Es kann aber schnell passieren, dass sich diese „inbetween Jobs“-Phase über einen längeren Zeitraum streckt, auch unbeabsichtigt.

Hier sind Kontext, Transparenz und Kommunikation entscheidend: Können Sie mir sagen, was Sie in dieser Zeit gemacht haben? Es gibt viele persönliche Gründe. Aber auch der Arbeitsmarkt kann sich in einzelnen Sektoren stark unterscheiden. Die Corona-Pandemie zum Beispiel hat nicht nur dem Eventbereich, sondern auch Hotellerie und Gastronomie stark zugesetzt. Viele Beschäftigte aus dem Einzelhandel hatten ebenfalls Schwierigkeiten. Das ist kein Ausschlusskriterium, sondern ein Punkt, der sagt „Schau mich an“ – und dann schaue ich genauer hin und spreche mit der Person darüber. Aber ich sortiere niemanden deshalb aus.



Mit Ehrlichkeit können Bewerbende punkten: „Kontext, Transparenz und Kommunikation sind entscheidend", rät Vincent van der Garde zum richtigen Umgang mit Auszeiten.


Wie bewerten Ihre Mandantinnen und Mandanten es, wenn Sie Bewerbende mit einer Lücke im Lebenslauf vorschlagen?

Vincent van der Garde: Ein Lebenslauf mit mehreren oder größeren Lücken sorgt für mehr Fragen und für mehr Bedenken – fast automatisch. Deshalb ist meine Aufgabe als Personalberater, diese Lebensläufe nicht unkommentiert zu schicken, sondern Kontext und eine plausible Einordnung mitzuliefern, warum ich der Meinung bin, dass diese Person für die Stelle geeignet ist – trotz Lücke.

Sich den Menschen hinter dem Papier und hinter der Lücke anzusehen, ist essenziell – wird aber noch nicht immer in vollem Umfang gemacht. Deshalb vermittle ich dies meinen Mandanten – sofern ich der Meinung bin, dass diese Person geeignet ist. Und auf diese Weise habe ich bereits in verschiedenen Prozessen ganz tolle Kandidatinnen und Kandidaten kennengelernt, die ihre jetzigen Arbeitgeber langfristig bereichern.

Hinweis: In diesem Text wird die männliche Form für personenbezogene Hauptwörter benutzt (z.B. „der Kandidat“, „der Mandant“). Dies dient allein dem Lesefluss, es sind alle Geschlechter gemeint.

Über Vincent van der Garde: Vincent van der Garde ist seit 2023 Personalberater bei HAPEKO in Düsseldorf. Er hat ein duales Studium bei einem mittelständischen Industrieunternehmen in NRW absolviert und war im Produktmanagement sowie im Key Account Management tätig. Während seines Studiums fokussierte er sich auf Arbeits- und Organisationspsychologie sowie das HR-Management.

Credit: Fotos: Nick Gurr / HAPEKO

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