Der Superlativ soll Ihnen Vergnügen bereiten, denn Sie können ja mitraten, was denn alles wohl als Biggest Leadership Failure in Frage käme, auf welches Item Sie persönlich setzen und was es denn nun wirklich ist. Meine Prognose: Sie liegen nicht nur falsch, Sie haben den BLF nicht einmal in Ihrem „evoked set“! Schluss mit dem Anglizismen-Quatsch – ich wollte nur zeigen, dass ich en vogue bin, auch wenn alles seit 1958 bekannt ist – nur eben den wenigsten.
Es handelt sich um einen klassischen Denkfehler.
Um als Führungsfehler wirklich bedeutsam zu sein, muss er häufig vorkommen, bösartig und nicht so leicht zu durchschauen sein. Mit der Universität Lüneburg legten wir ca 2.000 deutschen Führungskräften in zwei unterschiedlichen Studien folgende Fragen vor: Wenn die Leistung eines Arbeitnehmers schwach ist, liegt es dann eher am Wollen oder eher am Können? Ca. 80% der Führungskräfte sahen bei Arbeitnehmern eher das Wollen am Wirken, besser: dessen Mangel. Als die Führungskräfte hinsichtlich ihrer eigenen schwachen Leistung befragt wurden, ob es am Wollen gelegen hätte oder eher an den Umständen, da waren sich die Führungskräfte ebenso zu 80% einig: Die Umstände!
Grob formuliert: Wenn uns selbst etwas nicht gelingt, dann sehen wir die Umstände, die Begrenzungen, das Unmögliche. Gelingt aber dem „Anderen“, also dem geführten Mitarbeiter, etwas nicht, dann liegt es an seinem Charakter, seiner Arbeitseinstellung, seiner Motivation. Die Führungskraft schlüpft direkt in die Rolle des anklagenden, mächtigen Staatsanwaltes: Dem ohnmächtigen Mitarbeiter wird die Schuldfrage gestellt und seine persönliche Integrität angezweifelt, bevor der Sachverhalt überhaupt annähernd ermittelt wurde. Vorurteil. Bei 80% der Führungskräfte. Das ist bösartig. Und jede Art der Verteidigung in eigener Sache zeigt nurmehr die Schwäche des Mitarbeiters auf und die Führungskraft denkt: „Kann der Bauer nicht schwimmen, ist die Badehose daran schuld.“
Schon Fritz Heider, der Vater der Attributionstheorie (1958), stellte die ungesunde Tendenz der Menschen fest, die Ursachen für das Misslingen in der Person und weniger in den Umständen zu suchen. Das nennt sich deswegen auch „attribution bias“. Im wirtschaftlichen Kontext und in dem Machtgefälle zwischen Führung und Geführten wirkt der „attribution bias“ ehrrührig, kränkend bis verleumderisch. Vermutlich gilt das in der Mehrzahl der Fälle von Schlechtleistung, also dann, wenn Führung eigentlich besonders erforderlich wäre. Deswegen (und mangels Alternative) ist es das Biggest Leadership Failure!
Und, war der „attribution bias“ – für den es in Deutschland nicht einmal einen Begriff gibt – in Ihrer BLF Liste? Der große Fritz Heider, ein Österreicher, der in Berlin und Hamburg lehrte, kehrte als Jude 1930 Deutschland den Rücken. Vielleicht ein Grund, warum er in der angelsächsischen Welt einen Standard setzen konnte und hier nahezu unbekannt ist. Womit ich nach BLF Ihnen noch ein weiteres Akronym andienen möchte: BSL – steht für Big Science Leader! Das war er, der Fritz Heider.
Credit
Autor: Christoph Nehring, Gründer & Gesellschafter HAPEKO
Foto: westend61